Ulrich Zwingli
Ulrich Zwingli (1484–1531) gehört neben und mit Martin Luther zu den Reformatoren der ersten Stunde. Wie für Luther gilt auch für Zwingli die Bibel als die alleinige Richtschnur. Während in Luthers reformatorischer Erkenntnis jedoch die Rechtfertigungslehre des Paulus in den Vordergrund rückt, betont Zwingli den Zusammenhang der ganzen Bibel, des Neuen und des Alten Testamentes.
Wurstessen in der Fastenzeit
Als Pfarrer in Glarus (1506–1516) und als Leutpriester in Einsiedeln (1516–1519) und am Großmünster in Zürich (1519–1531) hat Zwingli zunächst vor allem den Schweizer und den oberdeutschen Raum geprägt. Die Verbreitung der 95 Thesen Luthers gelten als äußerer Anstoß der Wittenberger Reformation. In Zürich gab ein Wurstessen in der Fastenzeit 1522 den äußeren Anstoß zum reformatorischen Durchbruch. Zwingli war bei diesem Wurstessen anwesend, aß aber selbst nicht mit. So konnte er die Fastenbrecher um den Zürcher Buchdrucker Froschauer vor dem Stadtrat verteidigen ohne persönlich angreifbar zu sein.
Die Bibel als alleinige Grundlage des Glaubens
Dem Ablasshandel entsprechend war aber auch dieser Fastenstreit nur ein Exempel: Es ging darin letztlich um die Geltung der Bibel als alleiniger Grundlage christlichen Erkennens und Glaubens (sola scriptura!). Zwingli hatte diese reformatorische Einsicht seit seiner Zeit in Glarus (dort beeinflusst durch den Humanisten Erasmus von Rotterdam) gewonnen. Der Große Rat der Stadt Zürich folgte der Argumentation Zwinglis, allein die Bibel sollte entscheiden, alle Fastengesetze wurden somit aufgehoben (1. Zürcher Disputation 29. Januar 1523).
Radikale Reformbewegung in der Schweiz
Die Reformation in der Schweiz verlief vielerorts radikaler als die Wittenberger Reformation: In den Gottesdiensten sollte nichts vom Wort Gottes ablenken. Auf Beschluss der 2. Zürcher Disputation (26.–29. Oktober 1523) wurden aus den Kirchen alle Bilder und Kreuze entfernt, mancherorts sogar die Orgeln (obwohl Zwingli selbst großer Musikliebhaber war). Die Messe wurde mit der 3. Zürcher Disputation (13./14. Januar 1524) endgültig abgeschafft.
Konzentration auf die Bibel
Die Merkmale der Schweizer Reformation prägen evangelisch-reformierte Gemeinden bis heute: Die Schlichtheit der Kirchen und der liturgischen Gestaltung der Gottesdienste, die Konzentration auf die Bibel und ihre Auslegung in der Predigt. Noch heute werden in vielen evangelisch-reformierten Gemeinden Reihenpredigten gehalten, womit Zwingli selbst 1519 in Zürich mit Predigten über das Matthäusevangelium begann.
Zürcher Bibel
Neben den anderen üblichen Bibelübersetzungen (Luther, Einheitsübersetzung, usw.) wird in evangelisch-reformierten Gemeinden oftmals die Zürcher Übersetzung benutzt, die auf Zwinglis Arbeit in der Prophezey zurückgeht: Für die tägliche Auslegung der Bibel für die Gemeinde durch die Zürcher Pfarrer wuchs seit 1524 eine Übersetzung der Bibel, die 1531 erstmals komplett mit einer Vorrede von Zwingli gedruckt wurde. An der Übersetzung war neben Zwingli vor allem Leo Jud beteiligt. Außerdem geht die Übersetzung in vielen Teilen von Luthers Arbeiten aus.
Lutheraner und Reformierte: Der Unterschied
Die Spaltung der reformatorischen Bewegung in Reformierte und Lutheraner entschied sich letztlich in der Abendmahlsfrage. Zwingli, Luther und viele andere trafen sich 1529 zum Marburger Religionsgespräch, das die Einigung der Evangelischen zum Ziel hatte. Die von Luther vertretene leibliche Realpräsenz Christi in den Abendmahlselementen war für Zwingli und seine Anhänger jedoch nicht annehmbar, sodass in dieser Frage ein trennender Unterschied festgestellt werden musste.
Der Tod Zwinglis
Ulrich Zwingli starb am 11. Oktober 1531 beim 2. Kappelerkrieg, in dem er als Feldprediger teilnahm.
Zwinglis Nachfolger in Zürich war der Reformator Heinrich Bullinger.